Beschleunigen der Entwicklung optimierter therapeutischer Proteinformulierungen mittels dynamischer Differenzkalorimetrie

DSC-Daten sind hilfreich für die Vorhersage der Stabilität eines Proteins in Lösung. Der Tm-Wert kennzeichnet die Thermostabilität. Die Bestimmung des Tm-Werts in unterschiedlichen Formulierungen ergibt ein ungefähres Maß der Anfälligkeit für Aggregation und andere irreversible Veränderungen bei niedrigen Temperaturen.

Biomoleküle für therapeutische Zwecke müssen in ihren aktiven, nativen Formen stabilisiert werden. Diese Stabilität muss von der Verabreichung an den Patienten bis zum Transport an den Wirkort aufrechterhalten bleiben. Frühzeitige Stabilitäts-Screenings von biopharmazeutischen Formulierungen tragen dazu bei, dass weitere Investitionen auf jene Kandidaten fokussiert werden, die für die weitere Wirkstoffentwicklung das beste Potenzial zeigen. Die dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) ist ein Verfahren, mit dem sich die Lösungsbedingungen für eine optimale Proteinformulierungsstabilität rasch bestimmen lassen. Damit unterstützt es die Identifizierung der besten Formulierungskandidaten und beschleunigt die Entwicklung. In dieser Application Note werden die Technologie des Malvern MicroCal DSC beschrieben und sein Einsatz in der Formulierungsentwicklung. 

Einführung

Eine frühzeitige Entscheidung bei der Entwicklung von Biopharmazeutika ist die Arzneiform des Biopharmazeutikums: Es kann als Flüssigkeit oder als lyophilisiertes (gefriergetrocknetes) Pulver hergestellt werden. Flüssigformulierungen sind in der Regel kostengünstiger in der Herstellung und einfacher in der Anwendung. Sie müssen jedoch bei Kühlschranktemperaturen gelagert werden und sind tendenziell weniger stabil. Gefriergetrocknete Proteine sind kostenintensiver in der Herstellung und müssen vor der Verabreichung an den Patienten aufgelöst werden. Sie können jedoch bei Raumtemperatur gelagert werden und u. U. eine erhöhte Stabilität aufweisen. Auch der Komfort für den Endanwender ist ein zu berücksichtigender Faktor (1, 2). Der Formulierungsexperte muss herausfinden, ob das Protein seine Stabilität in Lösung über einen ausreichend langen Zeitraum beibehalten kann oder ob es nur in gefriergetrockneter Form stabil gehalten werden kann.

Ein Protein in wässriger Lösung befindet sich im Gleichgewicht zwischen seiner nativen (gefalteten) und denaturierten (ungefalteten) Konformation. Hydrophobe Wechselwirkungen und Wasserstoffbrücken sind die wichtigsten stabilisierenden Kräfte. Diese müssen überwunden werden, damit sich ein Protein entfalten und denaturieren kann. Konformationelle Entropie schwächt die stabilisierenden Kräfte, wodurch die Entfaltung des Biopolymers möglich wird (3). Die Entfaltung von Proteinen erfolgt bei Erhitzen oder bei Zugabe denaturierender Chemikalien (wie Natriumlaurylsulfat und Guanidinhydrochlorid) zur Lösung. Denaturierte Proteine sind anfälliger (4 bis 7) für irreversible chemische Prozesse, wie Proteolyse (8), Oxidation (9) und Deamidierung (10), die zur Inaktivierung führen können. Ein denaturiertes Protein aggregiert auch leichter. Die Aggregation kann ebenfalls zum Verlust der Stabilität und zur Aufspaltung des Proteins führen (11 bis 14).

Im Vorfeld der Formulierungsentwicklung muss das Protein charakterisiert werden. Dies kann die Bestimmung folgender Eigenschaften umfassen: Molekülmasse, Aminosäurezusammensetzung, dreidimensionale Struktur, Vorhandensein von Disulfidbrücken, Glykosylierung, Notwendigkeit von Cofaktoren, Inhibitoren, Löslichkeit, thermodynamische Parameter, Funktionalität, isoelektrischer Punkt, Hydrophobizität und Oberfläche. Alle diese Informationen sind für das Design der optimalen Formulierung des Proteins wichtig. Nach dem Ansatz des rationalen Wirkstoffdesigns können biotechnologisch entwickelte Proteine auch auf maximale Stabilität und höchste Wirksamkeit in einer beliebigen Lösung ausgelegt werden.

Für die Beibehaltung der Stabilität und Bioaktivität des Biopolymers - von der Herstellung über Verpackung, Lagerung und Transport bis zur letztendlichen Freisetzung am Wirkort im Patienten - sollte die Flüssigformulierung eines Proteins günstiger sein. Zu den bei der Formulierungsentwicklung zu berücksichtigenden Parametern gehören die Proteinkonzentration, das Vorhandensein von Additiven (Hilfsstoffen), pH, Lagertemperatur, Behälter, Exposition gegenüber Licht, Luft und Feuchtigkeit.

Ein weiterer Faktor bei der Formulierungsentwicklung ist der Mechanismus der Wirkstoffverabreichung. So muss z. B. ein intravenös verabreichtes Biopharmazeutikum löslich sein. Falls das Protein schlecht löslich ist, kann es im Blutkreislauf des Patienten ausfällen. Und wenn ein Arzneimittel injiziert wird, darf die Zusammensetzung der Formulierung beim Patienten keine Gewebeschäden oder Schmerzen verursachen. Ein weiterer Aspekt ist die potenzielle Adsorption des Proteins an die Behälter- oder Geräteoberfläche (Spritze, Pumpe usw.).

Die Stabilität eines Proteins wird in der Regel unter Anwendung verschiedener analytischer Methoden ermittelt. Hierzu gehören auch beschleunigte und in Echtzeit durchgeführte Stabilitätsuntersuchungen. Üblicherweise wird dabei auch das Ausmaß von Aggregation/Ausfällung, Oxidation, proteolytischer Degradation und/oder Umstrukturierung von Disulfidbindungen bewertet. Die Transportbedingungen werden geprüft, um sicherzustellen, dass beim Transport des Arzneimittels kein Verlust der Bioaktivität eintritt.

DSC und Formulierungsentwicklung

Die dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) ist ein mikrokalorimetrisches Verfahren, mit dem die Stabilität von Biomolekülen direkt in der nativen Form charakterisiert werden kann. Dabei wird die Wärmemengenänderung gemessen, die mit der thermischen Denaturierung des Moleküls einhergeht, wenn dieses mit einer konstanten Rate erwärmt wird. Die Messung des Mittelpunkts des thermischen Übergangs (Tm) liefert eine schnelle und einfache Kennzeichnung der Stabilität. Je höher der Tm-Wert, umso stabiler das Biomolekül.

Ein DSC-Gerät verfügt über eine Probenzelle, die das Biomolekül und einen Puffer enthält, sowie über eine Referenzzelle die mit dem reinen Puffer befüllt ist. Die Heizelemente werden mit Strom versorgt, um die Temperatur der Zellen mit einer konstanten Rate zu erhöhen. Während dieses Temperaturanstiegs überwacht das Gerät den Temperaturunterschied zwischen der Proben- und der Referenzzelle. Aus dem Unterschied in der Wärmeaufnahme der beiden Zellen, der benötigt wird, um beide Zellen auf gleicher Temperatur zu halten, ergibt sich die apparente Überschusswärmekapazität (Abbildung 1). Der Mittelpunkttemperatur (Tm) des Übergangs für die Enthalpieänderung ist der Punkt, an dem das Protein von der nativen zur denaturierten Form übergeht. Einen Zweizustandsübergang vorausgesetzt befinden sich bei Tm 50 % des Proteins im nativen Zustand und 50 % im denaturierten Zustand (Abbildung 1). Manche Proteine mit unterschiedlichen Aktivitätsregionen oder mehreren strukturellen Domänen können mehrere Tm-Temperaturen aufweisen. Der Experte kann sich auf ein oder zwei Tm-Werte konzentrieren, bei denen Formulierungsänderungen die größten Effekte zeigen.

Der Tm-Wert ist ein Indikator für die Thermostabilität. Generell gilt, je höher der Tm-Wert, desto stabiler das Protein. Proteine mit höherem Tm-Wert sind auch bei niedrigeren Temperaturen weniger anfällig für Entfaltung und Denaturierung. Durch die Überprüfung unterschiedlicher Bedingungen und Additive mittels DSC können die Formulierungen mit dem höchsten Tm-Wert bestimmt werden, die gleichzeitig die optimalen Formulierungen hinsichtlich der Stabilität sind (4, 5, 7, 15, 16).

Bei einem chemischen Prozess wird Wärme entweder abgegeben (exotherm) oder aufgenommen (endotherm). Der Übergang vom nativen zum denaturierten Protein verläuft in der Regel endotherm. Die Änderung der Enthalpie (∆H) beim konformationellen Übergang kann aus der Fläche unter der Übergangskurve berechnet werden (Integration, Abbildung 1). Die Wärmekapazität (Cp) des denaturierten Proteins ist in der Regel höher als die des nativen Proteins. Daher ergibt sich für die thermische Denaturierung ein positiver ∆Cp-Wert (Abbildung 1).

Abbildung 1: Typisches DSC-Thermogramm. Dieser DSC-Durchlauf wurde mit einer Proteinlösung durchgeführt. Das Protein geht dabei von einem kompakten, nativen Zustand bei niedriger Temperatur in einen ungefalteten, denaturierten Zustand bei hoher Temperatur über. Die apparente Überschusswärmekapazität des Proteins wurde aus der unterschiedlichen Wärmekapazität des Proteins in Puffer und des reinen Puffers berechnet. Zur Berechnung der Tm-, ∆H- und ∆Cp-Werte des Übergangs wird an die Daten mittels nichtlinearer Regression ein Zweizustandsübergangsmodell angepasst.
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Die Systeme Malvern MicroCal™ VP-Capillary DSC (Abbildung 2) und Malvern MicroCal VP-DSC werden für Untersuchungen an Biopolymeren in Lösung eingesetzt. Das System Malvern MicroCal VP-Capillary DSC eignet sich insbesondere für Tm-Untersuchungen unterschiedlicher Formulierungen bei hohem Probendurchsatz (bis zu 50 Proben in 24 h) und einer schnellen Durchlaufrate (bis 250 °C/h). Ein vollständig integrierter Autosampler ermöglicht den unbeaufsichtigten Betrieb. Tabelle 1 enthält einen Vergleich der Leistungsmerkmale der Systeme MicroCal VP-Capillary DSC und Malvern MicroCal VP-DSC von Malvern.

##Abbildung 2: Das System MicroCal VP-Capillary DSC von Malvern.
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Tabelle 1: Vergleich der Systeme MicroCal VP-DSC und MicroCal VP-Capillary DSC von Malvern
 MicroCal VP-DSCMicroCal VP-Capillary DSC
Aktives Zellvolumen500 μl130 μl
Erforderliche Mindestproteinkonzentrationen (typ.)0,02 bis 0,1 mg/ml0,2 bis 0,5 mg/ml (Tm) > 1,5 mg/ml (ΔCp und ΔH)
Maximale Durchlaufrate90 K/h250 K/h
Temperaturbereich-10 C bis 130 °C-10 C bis 130 °C
Dauer pro Durchlauf (typ.)60 bis 150 min35 bis 55 min (abhängig von Durchlaufrate und Temperaturen)
Max. Anzahl von Durchläufen pro Tag4 bis 6 (manuell) in 8 hca. 50 (unbeaufsichtigt) in 24 h
Automatisierte Zellenbefüllung und -reinigungNeinJa
Proben pro 96er-MikrotiterplatteNicht verfügbar48

Flüssigformulierungsstrategien

Bei der Formulierungsentwicklung geht es primär darum, herauszufinden, welche Lösungsbedingungen die beste Stabilisierung des nativen Proteins bieten. In der Regel sind es die Bedingungen, die den höchsten Tm-Wert ergeben, bei denen das Protein am längsten in seinem nativen Zustand verbleibt - auch bei niedrigeren Temperaturen. Mit der DSC werden zuerst unterschiedliche pH-und Pufferbedingungen untersucht, gefolgt von Hilfsstoffen und Konservierungsmittel.

Puffer- und pH-Optimierung

In Abbildung 3 wurde der Tm-Wert von Protein CD40L gegen den pH-Wert aufgetragen. Des Weiteren wurde die Aggregation von CD40L nach einer Inkubation bei 37 °C für 7 Tage bestimmt. Das Tm-Optimum korrelierte mit den pH-Bedingungen, bei denen eine Minimierung der Aggregation erzielt wurde (16). Diese Korrelation zwischen pH-Wert, Tm-Wert und Aggregation wurde auch bei GM-CSF beobachtet (4).

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Abbildung 3: (A) Stabilitätsverhalten des CD40-Liganden (CD40L) in Korrelation zum Aggregationsverhalten, bestimmt mittels Größenausschlusschromatographie (SEC); (B) Tm als Funktion des pH-Werts, bestimmt mittels DSC. Der gekennzeichnete Bereich entspricht dem optimalen pH-Bereich, in dem ein maximaler Tm-Wert und eine minimale Aggregation erzielt werden. Aus (16).
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Die Messung der Tm-Änderungen von Proteinen mittels DSC ist relativ einfach auszuführen. Abbildung 4 zeigt die Tm-Änderungen von Chymotrypsinogen, wenn der pH-Wert erhöht wird. Die Messung wurde mit dem Malvern MicroCal VP-Capillary DSC durchgeführt. Der Tm-Wert nahm mit steigendem pH-Wert zu. Dies deutet auf eine größere Stabilität der nativen Form von Chymotrypsinogen bei höherem pH-Wert hin.

Abbildung 4: Tm-Verschiebung von Chymotrypsinogen mit dem pH-Wert. Es wurden Chymotrypsinogen-Lösungen (pH 1,96, pH 2,27, pH 2,57 und pH 3,02) präpariert und in eine 96er-Mikrotiterplatte eingebracht. Für jeden pH-Wert wurden fünf Proben verwendet. Zusätzlich wurden in die 96er-Mikrotiterplatte entsprechende Referenzpuffer eingebracht. Die DSC-Durchläufe wurden mit dem MicroCal VP-Capillary DSC von Malvern durchgeführt. Die hier gezeigten DSC-Daten ergaben sich nach der Subtraktion eines Puffer-Puffer-Referenzdurchlaufs. Der Textkasten enthält die Tm-Daten und die Standardabweichung für die einzelnen pH-Werte.
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Hilfsstoffe

Hilfsstoffe sind Additive, die die Stabilität des Proteins verbessern können. Sie umfassen Zucker, Aminosäuren, Antioxidantien, Polymere, Alkohole, Glycerin und Netzmittel.

Nachdem die optimalen pH-und Pufferbedingungen ermittelt wurden, werden der Proteinlösung unterschiedliche Hilfsstoffe zugesetzt. Wenn sich durch einen Hilfsstoff der Tm-Wert erhöht, ist die native Form des Proteins in Gegenwart des Hilfsstoffs stabiler als ohne ihn.

Bei der Entwicklung der Flüssigformulierung für den Interleukin-1-Rezeptor IL-1R wurde ein Hilfsstoff-Screening durchgeführt (5). Für IL-1R lagen zwei Hauptübergänge vor, mit Tm-Werten von ca. 48 °C bzw. ca. 66 °C. Der Übergang mit dem niedrigen Tm-Wert wurde für das Hilfsstoff-Screening ausgewählt. Die Strategie bestand in der Suche nach Hilfsstoffen, die eine Erhöhung des Tm-Werts des Übergangs niedriger Temperatur bewirken, entsprechend einer positiven Veränderung der Stabilität des nativen Proteins. Es wurden 23 Hilfsstoffe untersucht (Tabelle 2).

Tabelle 2: Untersuchung von Hilfsstoffen, die dem Interleukin-1-Rezeptor hinzugefügt wurden.
HilfsstoffKonzentration (g/ml) in PufferMolares Verhältnis [Ms/Mp]*Tm (°C)
Kontrolle†0,00-48,1
Ascorbinsäure0,05203736,7

Zucker

Mannitol0,0517203746,7
Lactose0,0972213749,7
Saccharose0,0972203749,7
Glucose0,0512203749,6

Polymere

PVP (mM 10.000)0,01748,9
PEG (mM 300)0,0003749,4
PEG (mM 1000)0,001749,1
PEG (mM 3350)0,00335748,7
Dextran 400,0392748,0

Polyole

Glycerin0,0177948,7
Ethanol0,005177948,6
Ethanol0,05761743,8

Salze

NaCl0,0058471753,1
CaCl20,011171741,1

Aminosäuren

Glycin0,0195546,2
L-Lysin0,0194795548,3
L-Cystein0,0161495551,3
L-Alanin0,0118795546,2
L-Arginin0,023295549,1

Netzmittel

Pluronic™ F680,0001446,6
Tween™ 800,001545,8

Kombination

Glucose/NaCl0,0512/0,005842037/71752,2

*Ms = Mol des Hilfsstoffs / Mp = Mol des Proteins
†Kontrollpuffer ist 20 mM Citratpuffer, pH 6,0. Diesem Puffer hinzugefügte Hilfsstoffe.
Tabelle aus Remmele R.L. et al. (5).

Ionenstärke

Die Ionenstärke des Puffers wird angepasst, um zu ermitteln, ob durch Zugabe von Salz eine Erhöhung des Tm-Werts erzielt werden kann. Bei IL-1R hatte die Zugabe von 100 mM NaCl den größten stabilisierenden Einfluss. Bei einer mäßigen Ionenstärke wurde Tm von 48 °C zu 53 °C verschoben. Dieser stabilisierende Effekt lässt eine direkte Wechselwirkung zwischen Salzionen und geladenen Gruppen des Proteins vermuten (5). Der Tm-Wert von IL-1R steigt mit zunehmender Salzkonzentration weiter an, selbst wenn ein Wert von 1500 mM NaCl erreicht wird - weit oberhalb der für die Sättigung der geladenen Stellen benötigten Konzentration (Abbildung 5). Diese Daten legen nahe, dass sich Salzionen auf die Wasserstruktur auswirken, die auch bei der konformationellen Stabilität eines Proteins eine Rolle spielt. Sowohl Ladungs-Ladungs-Wechselwirkungen als auch Änderungen der Wasserstruktur verleihen der nativen IL-1R-Struktur Stabilität.

Abbildung 5: Tm-Diagramm von IL-1R bei Zugabe von NaCl. Die 100 mM Konzentration wird durch die gestrichelte Linie dargestellt. Aus (5).
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Konservierungsmittel

Wenn ein Arzneimittel als Mehrfachdosis zu verabreichen ist, werden Konservierungsmittel hinzugefügt, um das Wachstum von Mikroorganismen zu verhindern. Diese Konservierungsmittel können jedoch eine destabilisierende Wirkung auf das Protein haben. Die Auswirkung von Konservierungsmitteln auf den Tm-Wert von IL-1R wurde ebenfalls untersucht (5). Die Konservierungsmittel m-Kresol, Phenol und Benzylalkohol destabilisierten IL-1R, wie anhand der Verschiebung beider Temperaturübergänge zu niedrigeren Temperaturen festgestellt wurde (Tabelle 3). Anhand der DSC-Daten wurde die Stabilität von IL-1R in den drei Konservierungsmitteln klassifiziert. Phenol bewirkte den höchsten Tm-Wert, gefolgt von m-Kresol und Benzylalkohol. Die DSC-Stabilitätsdaten korrelierten auch mit der mittels Größenausschlusschromatographie (SEC) gemessenen Aggregation von IL-1R. Je höher der Tm-Wert, umso geringer war die Aggregation, die nach 7 und 60 Tagen beobachtet wurde.

Tabelle 3: Auswirkungen von Konservierungsmitteln auf IL-1R: Vergleich der Tm-Werte und Größenausschlusschromatographie
 DSCSEC
7 Tage60 Tage
Tm1 (°C)Tm2 (°C)Tm3 (°C)Agg %Nativ %Agg %Nativ %
Kontrolle50,853,766,30,6698,931,5097,54
0,065 % Phenol50,353,466,51,0298,623,0796,02
0,1 % m-Kresol48,451.65,81,3798,255,193,92
0,9 % Benzylalkohol45,248,563,62,9396,9216,4683,09
Kontrolllösung: 20 mM Natriumcitratpuffer (pH 6,0), 100 mM NaCl. Vor der Größenausschlusschromatographie (SEC) wurde die IL-1R-Lösung über den angegebenen Zeitraum bei 37 °C gelagert. Agg % = % Aggregation, bestimmt durch Integration des Peaks des hochmolekularen Proteins nach SEC; Native % = % natives IL-1R, bestimmt durch Integration des Protein-Hauptpeaks nach SEC. Aus (5).

Die besten Formulierungskandidaten aus dem Tm-Screening werden nun mittels beschleunigter Stabilitätsuntersuchungen bewertet. Das Protein wird in unterschiedlichen Formulierungen präpariert und dann bei 37 °C gelagert. Während der beschleunigten Stabilitätsuntersuchungen wird wiederholt das Ausmaß der Aggregation mittels Größenausschlusschromatographie bestimmt. Das Protein wird mittels SDS-PAGE analysiert, um eine eventuelle Proteolyse zu erkennen.

Abschließend müssen die besten Formulierungskandidaten Echtzeit-Stabilitätsuntersuchungen unterzogen werden, um die Haltbarkeit des Proteins zu bestimmen. Während der Untersuchung werden laufend Bioassays und analytische Tests durchgeführt, um sicherzustellen, dass das Protein aktiv und funktionsfähig bleibt.

Die DSC wird seit vielen Jahren als Screening-Instrument eingesetzt, um bei der Formulierungsentwicklung die Proteinstabilität zu bewerten. Gegenüber dem Malvern MicroCal VP-DSC ermöglicht das automatisierte Gerät Malvern MicroCal VP-Capillary DSC ein schnelleres Screening mit erhöhtem Durchsatz (Tabelle 1). Mit dem Malvern MicroCal VP-Capillary DSC wurden die Tm-Werte von Proteinen in verschiedenen pH-Umgebungen und Hilfsstoffen bestimmt. Dabei korrelierten die Veränderungen der Tm-Werte mit den SEC-Daten. Diese Ergebnisse stützen die Verwendung der DSC als Screening-Instrument für die Stabilität (17).

Zusammenfassung

DSC-Daten sind hilfreich für die Vorhersage der Stabilität eines Proteins in Lösung. Der Tm-Wert kennzeichnet die Thermostabilität. Die Bestimmung des Tm-Werts in unterschiedlichen Formulierungen ergibt ein ungefähres Maß der Anfälligkeit für Aggregation und andere irreversible Veränderungen bei niedrigen Temperaturen. Die Formulierungen mit den besten Thermostabilitäten werden für weitere Untersuchungen der Stabilität, Haltbarkeit und Transporteigenschaften ausgewählt. Durch den Einsatz der DSC in der Formulierungsentwicklung, einem wichtigen Bereich der Wirkstoffforschung, können Zeit und Kosten gespart werden. Dabei bieten vollständig automatisierte Systeme eine höhere Effizienz und Produktivität.

Literatur:

  1. BioPharm Guide to Formulation, Fill and Finish (2001); Beilage zu BioPharm (Advanstar Communications).

  2. McNally E.J. (Hrsg.), Protein Formulation and Delivery, Marcel Dekker, Inc., New York (2000).

  3. Pace C.N. et al. FASEB J 10, 75-83 (1996).

  4. Schrier J. A. et al. Pharm. Res. 10, 933-944 (1993).

  5. Remmele R.L. Jr., et al. Pharm. Res. 15, 200-208 (1998).

  6. Davio S.R. et al. Pharm. Res. 12, 642-648 (1995).

  7. Chan H.K. et al. Pharm. Res. 13, 756-761 (1996).

  8. North M.J. In Proteolytic Enzymes: A Practical Approach (Beynon R.J., Bond J.S. (Hrsg.), IRL Press, Oxford, S. 105-124 (1993).

  9. Powell M.F. In Formulation and Delivery of Proteins and Peptides, Cleland J.L., Langer R. (Hrsg.), American Chemical Society, Washington D.C., S. 100-117 (1994).

  10. Wearne S.J., Creighton T.E. Proteins 5, 8-12 (1989).

  11. Chen B. et al. Pharm. Res. 11, 1581-1587 (1994).

  12. DeYoung L.R. et al. Biochemistry 32, 3877-3886 (1993).

  13. Martinez J.C. et al. Biochemistry 33, 3919-3926 (1994).

  14. Mitraki A. et al. Eur. J. Biochem 163, 29-34 (1987).

  15. Chen B.L., Arakawa T. J. Pharm. Sci. 85, 419-426 (1996).

  16. Remmele R.L. Jr., Gombotz W.R. BioPharm 13, 36-46 (2000).

  17. Burton L. et al. Pharm. Dev. Technol. 12, 265-273 (2007).

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