Die Differential scanning calorimetry (DSC) ist ein leistungsfähiges Instrument zur Untersuchung der Stabilität. Sie ermöglicht die Untersuchung der Proteinentfaltung ohne Markierung oder künstliche Sonden. Sie bestimmt die von einer Probe bei der Entfaltung des Proteins aufgenommene Wärme, die ein Maß für dessen Thermostabilität darstellt. In dieser Application Note werden DSC-Thermostabilitätsdaten mit der Thermostabilität korreliert, um die Proteinstabilität bei Langzeitlagerung vorherzusagen.
Während seiner Lebensdauer ist ein therapeutisches Protein bei der Verarbeitung und Lagerung einer Vielzahl unterschiedlicher Bedingungen ausgesetzt. Zu diesen gehören häufig niedrige pH-Werte, unterschiedliche Pufferkomponenten und Ionenstärken sowie Temperaturschwankungen bei Lagerung und Transport. Überdies muss die endgültige Formulierung über mehrere Jahre stabil sein, häufig bei sehr hohen Proteinkonzentrationen. Das dem Patienten verabreichte fertige Arzneimittel muss seine native Konformation und Aktivität beibehalten, bei minimaler Selbstassoziation und Aggregation. Ein Analysewerkzeug, mit dem die Auswirkungen dieser Bedingungen auf die Konformation und Selbstassoziation des Proteins untersucht werden können, hilft bei der Auswahl der für die Weiterentwicklung infrage kommenden Biotherapeutika und der anzuwendenden Prozess- und Formulierungsbedingungen.
Häufig wird die DSC eingesetzt, um die thermische und konformationelle Stabilität eines Proteins unter unterschiedlichen Pufferbedingungen zu bewerten (1 bis 6). Die Schmelztemperatur eines Proteins oder von einzelnen Domänen kann aus dem DSC-Profil ermittelt werden (6). Wenn die Reaktion reversibel ist, können auch die thermodynamischen Parameter der Entfaltung bestimmt werden. Die Entfaltung wird zudem häufig von einer exothermen Reaktion begleitet, die der Aggregation und Präzipitation des entfalteten Proteins entspricht.
Mittels DSC konnte die thermisch induzierte Entfaltung von Antikörpern und Fc-Fragmenten charakterisiert werden, wobei die Übergänge der einzelnen Domänen identifiziert wurden (6 bis 9). In der Regel entfaltet sich zuerst die CH2-Domäne (7), gefolgt von den Fab- und dann den CH3-Domänen.
Mehrere kontrollierte Experimente (Abbildung 1) ergaben, dass die CH2- und CH3-Domänen des Fc-Fragments bei 71,0 °C bzw. 83,1 °C entfalten - unter nahezu physiologischen Bedingungen in PBS. Der thermische Übergang der Fab-Domäne eines monoklonalen Antikörpers (MAb) erfolgt in der Regel zwischen den Übergängen der CH2- und CH3-Domänen oder überschneidet sich mit einem dieser Übergänge.
Als stabilitätsanzeigender Assay wird häufig SEC oder Gel-Filtration (GF) eingesetzt. Diese Verfahren ermöglichen die Quantifizierung des Monomers und anderer Spezies mit höherer Molekülmasse, die entweder während der Lagerung generiert werden oder durch die Bedingungen, denen das Protein ausgesetzt ist.
In der hier beschriebenen Arbeit vergleichen wir die mittels SEC-HPLC-Analyse bestimmte Stabilität unterschiedlicher Antikörper und Fc-konjugierter Proteine, die unter verschiedenen Bedingungen und bei verschiedenen Temperaturen gelagert werden, mit der mittels DSC vorhergesagten Stabilität im gleichen Puffer. Die Ergebnisse zeigen, dass mithilfe der DSC die Bedingungen ausgewählt werden können, unter denen die Proteine eine optimale Stabilität für die Langzeitlagerung erreichen. Zudem können mit der DSC verschiedene verwandte Proteine, wie Analoga, auf ihre relative Langzeitstabilität untersucht werden.
Die Proben wurden in 20 mM Natriumcitrat mit 140 mM NaCl bei dem angegebenen pH-Wert präpariert, soweit nicht anderweitig angegeben. Es wurden zwei Gruppen identischer Proben der einzelnen Proteine präpariert: eine Gruppe für die DSC-Analyse und die andere Gruppe für die HPLC-Analyse. Alle Experimente wurden bei einer Proteinkonzentration von 0,5 mg/ml durchgeführt.
Die vorgegebene Lagertemperatur betrug für alle Proben 4 °C. Bei dieser Temperatur kann es für die meisten der in dieser Untersuchung verwendeten Proteine jedoch Monate oder Jahre dauern, bis Veränderungen der Aggregation beobachtet werden können. Dies spiegelt die für erfolgreiches therapeutisches Protein gewünschte langfristige Haltbarkeit wider. Daher wurde zusätzlich eine Lagertemperatur von 37 °C verwendet, um dieses Projekt innerhalb eines befristeten Zeitrahmens (zwei Monate) abschließen zu können.
Für die Untersuchung wurde ein kommerzielles SEC-HPLC-System mit einem Online-UV-Detektor, einem Lichtstreudetektor und einem Brechungsindexdetektor eingesetzt (SEC-UV/LS/RI). Die SEC-Säule Tosoh TSKgel™ G3000SWXL (7,8 × 300 mm) wies einen Durchfluss von 0,5 ml/min auf. Die Proben wurden zu den angegebenen Zeitpunkten injiziert. Die UV-Chromatogramme wurden bei 280 nm aufgenommen.
Die DSC-Experimente wurden unter Verwendung des Systems MicroCal VP-Capillary DSC von Malvern durchgeführt. Vor der Analyse wurden alle Proben fünf Minuten lang entgast. Die Referenzzelle wurde mit einer dem Probenpuffer entsprechenden Pufferlösung befüllt. Die Proben wurden bei einer Heizrate von 60 °C/h von 4 °C auf 110 °C erhitzt. Der Prescan dauerte 15 Minuten, die Filterdauer 10 s, und „Feedback Mode/Gain“ wurde auf „passive“ eingestellt. Die Mittelpunkttemperatur des thermischen Übergangs (Tm oder thermische Übergangstemperatur) wurde anhand einer Analyse der Daten mit der Software Origin™ 7 ermittelt.
DSC-Diagramme eines Fc-konjugierten Proteins X bei unterschiedlichen pH-Werten sind in Abbildung 2 gezeigt. Die thermischen Übergangstemperaturen der Diagramme sind hier ebenfalls enthalten. Bei pH 7 liegen zwei thermische Übergänge bei 65,4 °C und 78,9 °C vor, entsprechend der Entfaltung der CH2- und CH3-Domänen. Die thermische Übergangstemperatur sinkt mit annehmendem pH-Wert, und die mittels DSC vorhergesagte Stabilitätsreihenfolge lautet pH 7 > pH 5 > pH 4. Die tatsächliche Proteinstabilität wurde mittels SEC-HPLC mit einem Online-UV-Detektor, einem Lichtstreudetektor und einem Brechungsindexdetektor untersucht. Der Vorteil der Verwendung des Lichtstreudetektors ist, dass der Monomerpeak einfach bestätigt werden kann (10). Die SEC-Chromatogramme des Fc-konjugierten Proteins X mit Lagerung bei 4 °C und pH 7 oder pH 4 sind in den Abbildungen 3 bzw. 4 gezeigt. Der Vergleich der Monomerpeak-Prozentwerte bei unterschiedlichen Zeitpunkten für Proben bei pH 7, pH 5 und pH 4 und Lagerung bei 4 °C ist in Abbildung 5 gezeigt. Alle Prozentwerte der SEC-Monomerdaten in dieser Application Note sind auf den Wert bei T = 0 normalisiert.
Da es sehr schwierig ist, die Stabilität von Proben bei pH 7 und pH 5 innerhalb von Wochen bei 4 °C zu unterscheiden, wurden beschleunigte Untersuchungen bei 37 °C durchgeführt. Der Vergleich der mittels SEC bei unterschiedlichen Zeitpunkten für die Proben bei pH 7 und pH 5 ermittelten Monomerpeak-Prozentwerten ist in Abbildung 6 gezeigt. Bei einer Lagerung bei 37 °C unterscheidet sich die Stabilität des Fc-konjugierten Proteins X bei pH 7 und pH 5 deutlich. Der Anstieg der Monomerpeak-Prozentwerte auf über 100 % für die bei 37 °C gelagerten Proben ist auf Verdunstung zurückzuführen. Dieser Effekt wurde bei allen 37 °C Proben beobachtet und führte bei allen Proben zu einer erhöhten Proteinkonzentration.
Aus den SEC-Ergebnissen der obigen beiden Experimentserien (4 °C und 37 °C) geht eindeutig hervor, dass das Fc-konjugierte Protein X eine tatsächliche Stabilität der Reihenfolge pH 7 > pH 5 > pH 4 aufweist, wodurch die DSC-Vorhersage bestätigt wird.
Die DSC-Diagramme des Fc-konjugierten Proteins X bei pH 6 und pH 5 sind in Abbildung 7 gezeigt. Der Vergleich der mittels SEC nach Lagerung bei 37 °C bei unterschiedlichen Zeitpunkten bei pH 6 und pH 5 ermittelten Monomerpeak-Prozentwerten ist in Abbildung 8 gezeigt. Auch hier geht aus den Ergebnissen hervor, dass die mittels DSC vorhergesagte Stabilitätsreihenfolge pH 6 > pH 5 sehr gut mit den tatsächlichen, mittels SEC ermittelten Stabilitätsdaten korreliert.
Ein weiterer Faktor, der zu der apparenten thermischen Stabilität beiträgt, ist die Löslichkeit des entfalteten Proteins. Die mit dem Malvern MicroCal VP-DSC gemessene abschließende exotherme Reaktion (in negative Richtung scharf abfallende Kurve) nach dem Übergang spiegelt die Löslichkeit des entfalteten Proteins wider. Dies ist neben der Übergangstemperatur ein weiterer Faktor, der eine wesentliche Auswirkung auf die Proteinstabilität haben kann.
Aggregation/Präzipitation ist eine irreversible Reaktion. Wenn sie eintritt, verschiebt sie das reversible Gleichgewicht der Entfaltungsreaktion zugunsten der entfalteten Form des Proteins. Je weniger löslich das entfaltete Zwischenprodukt ist, umso mehr werden mit der Zeit Entfaltung und Aggregation auftreten. Falls die Aggregation simultan zum ersten thermischen Übergang erfolgt, erfolgt sie vor der gesamten Reaktion. Hierdurch wird die Analyse weiter erschwert.
Nach der Untersuchung des Fc-konjugierten Proteins X wurde dieselbe Methode und Vorgehensweise für einen MAb angewendet. Die DSC-Diagramme eines MAb Y bei unterschiedlichen pH-Werten sind in Abbildung 9 gezeigt. Die thermischen Übergangstemperaturen sind in der Abbildung eingetragen. Bei pH 7 liegt nur ein thermischer Übergang bei 73,2 °C vor, fast unmittelbar gefolgt von der exothermen Aggregation. Wenn der pH-Wert verringert wird, nimmt die thermische Stabilität der CH2-Domäne ab, und die Tm-Werte für die Proben mit pH 5 und pH 4 betragen 66,1 °C bzw. 47,9 °C. Die mittels DSC vorhergesagte Stabilitätsreihenfolge lautet pH 7 > pH 5 > pH 4.
Die tatsächliche Proteinstabilität wurde erneut mittels SEC-HPLC untersucht. Der Monomerpeak wurde mithilfe der Lichtstreudetektion bestätigt (10). Die Monomerpeak-Prozentwerte bei unterschiedlichen Zeitpunkten für Proben bei pH 7 und pH 4 und Lagerung bei 4 °C wurden verglichen (Ergebnisse nicht gezeigt). Da es nicht praktikabel war, über mehrere Monate ausgedehnte Experimente zur Unterscheidung der Stabilität von MAb Y bei pH 7 versus pH 4 bei einer Lagertemperatur von 4 °C durchzuführen, wurden beschleunigte Degradationsuntersuchungen bei 37 °C durchgeführt.
Der Vergleich der mittels SEC ermittelten Monomerpeak-Prozentwerte für Proben bei pH 7, pH 5 und pH 4 und Lagerung bei 37 °C ist in Abbildung 10 gezeigt. Die Ergebnisse bestätigen die mittels DSC vorhergesagte Stabilitätsreihenfolge: pH 7 (geringfügig) > pH 5 (signifikant) > pH 4.
Wie zuvor beschrieben, untersuchten wir für das gleiche Protein die Korrelation zwischen der thermischen Stabilität und der Proteinstabilität bei unterschiedlichen pH-Werten. Außerdem wollten wir prüfen, ob wir mit demselben Ansatz die Stabilität unterschiedlicher Proteine unter identischen Pufferbedingungen vergleichen könnten. Generell nimmt beim Vergleich unterschiedlicher Proteine die Korrelation zwischen der relativen thermischen Stabilität und der
relativen Langzeitstabilität ab, wenn die strukturelle Ähnlichkeit der Proteine abnimmt. Mittels DSC konnte die Stabilität verwandter Proteine erfolgreich bewertet werden. Dies umfasste auch Untersuchungen von Analoga des gleichen Proteins.
Vergleiche der thermischen Übergangstemperaturen aus den DSC-Diagrammen von MAb Y und Fc-konjugiertem Protein X bei pH 4, pH 5 und pH 7 sind in Abbildung 11 gezeigt. Die Vergleiche der Monomerpeak-Prozentwerte von MAb Y und Fc-konjugiertem Protein X bei pH 4, pH 5 und pH 7 sind in den Abbildungen 12 bis 14 gezeigt. Bei pH 4 und pH 5 wird die DSC-Vorhersage der Stabilitätsreihenfolge (MAb Y > Fc-konjugiertes Protein X) durch die SEC-Stabilitätsdaten eindeutig bestätigt. Die Daten für pH 7 sind komplizierter. Die DSC-Stabilitätsdaten zeigen, dass der MAb Y stabiler ist als das Fc-konjugierte Protein X; die Unterschiede in den SEC-Daten sind jedoch nicht eindeutig.
Es gibt mehrere mögliche Einflussfaktoren. Einer ist, dass beide Proteine bei pH 7 sehr stabil sind und eine wesentlich längere Lagerzeit erforderlich ist, um mithilfe von SEC Unterschiede in der Monomermenge festzustellen. Eine weitere mögliche Ursache ist, dass das entfaltete Fc-konjugierte Protein X löslicher ist als MAb Y (Abbildung 2 und 9) und dadurch der Unterschied in den thermischen Übergangstemperaturen teilweise kompensiert wird. Damit wird die tatsächliche Stabilität beider Proteine ähnlicher als sie aus der thermischen Übergangstemperatur alleine vorhergesagt werden würde. Dies legt nahe, dass die exotherme Aggregation ebenfalls ein wichtiger, zu berücksichtigender Faktor ist.
Der in diesem Artikel beschriebene Ansatz wurde auch zur Untersuchung mehrerer unterschiedlicher Proteine verwendet, die sowohl Antikörper als auch Fc-Konjugate umfassten. Die aus den DSC-Daten ermittelte relative Reihenfolge der thermischen Stabilität spiegelte nicht nur die tatsächliche Lagerstabilität und Aggregation des gleichen Proteins in unterschiedlichen Puffern wider, wie mit der SEC-HPLC-Analyse ermittelt, sondern allgemein auch die tatsächliche Lagerstabilität und Aggregation der verschiedenen verwandten Proteine.
Sobald für ein bestimmtes Protein die Korrelation zwischen der thermischen Stabilität und Lagerstabilität ermittelt wurde, können mit der DSC verschiedene Mutanten und Konstrukte, Fc-verwandte Proteine und monoklonale Antikörper rasch untersucht werden. Wie oben gezeigt, müssen neben der thermischen Übergangstemperatur weitere Faktoren berücksichtigt werden, wie die Löslichkeit der entfalteten Proteinzwischenprodukte und Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Proteinstruktur.
Mittels DSC wurde die thermische Stabilität von monoklonalen Antikörpern und Fc-konjugierten Proteinen bei unterschiedlichen pH-Werten untersucht. Mittels SEC-HPLC wurde die Lagerstabilität der gleichen Gruppe von Proteinen bei entsprechenden pH-Werten untersucht. Die SEC-HPLC-Stabilitätsdaten korrelieren gut mit der mittels DSC vorhergesagten Stabilität. Dies legt nahe, dass die mittels DSC ermittelten thermischen Stabilitätsdaten mit der Proteinstabilität bei niedrigen Temperaturen korrelieren. Zudem spiegelt die relative thermische Stabilität der verwandten Proteine auch Unterschiede in ihrer tatsächlichen Langzeitstabilität wider. Somit ist die DSC ein nützliches Instrument zur Vorhersage der Proteinstabilität bei niedrigen Temperaturen, zur Untersuchung von Puffer und Hilfsstoffen, zur Untersuchung therapeutischer Kandidaten und zur Vorhersage der Proteinaggregation.
Diese Application Note wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Jie Wen, Yijia Jiang, Kathryn Hymes*, Ke Gong* und Linda Narhi, Amgen Inc., Thousand Oaks, CA.
*Praktikanten