Eine Proteinaggregation kann in allen Schritten des Herstellungsprozesses (Zellkultur, Aufreinigung und Formulierung) sowie bei der Lagerung, im Vertrieb und bei der Handhabung von Produkten auftreten. Sie entsteht infolge verschiedener Einwirkungen, wie Agitation und Exposition gegenüber extremen pH-, Temperatur- und Ionenstärkewerten oder verschiedenen Grenzflächen (z.B. der Luft/Flüssigkeitsgrenzfläche). Hohe Proteinkonzentrationen (wie bei manchen biotherapeutischen Formulierungen) können die Wahrscheinlichkeit einer Aggregation weiter erhöhen.
Eine Vielfalt von Aggregaten tritt bei biopharmazeutischen Proben auf, mit unterschiedlichsten Größen und Eigenschaften (z.B. löslich oder unlöslich, kovalent oder nicht kovalent, reversibel oder irreversibel). Proteinaggregate können ein breites Größenspektrum umfassen, von kleinen Oligomeren (Nanometerbereich) bis zu unlöslichen Aggregaten im Mikrometerbereich, die Millionen von Monomereinheiten enthalten können.
Bei der Entwicklung, Herstellung und anschließenden Lagerung eines formulierten Produkts müssen Aggregationen sorgfältig charakterisiert und kontrolliert werden. Durch die Überwachung des Aggregationszustands kann zudem eine Modifikation bzw. Optimierung des Herstellungsprozesses erzielt werden.
Die Nanopartikel-Tracking-Analyse (NTA) ist ein Verfahren zur Visualisierung und Analyse von Partikeln in Flüssigkeiten, bei dem das Ausmaß der Brownschen Bewegung in Beziehung zur Partikelgröße gesetzt wird (Abbildung 1). Das Ausmaß dieser Bewegung ist ausschließlich abhängig von der Viskosität der Flüssigkeit, der Temperatur und der Partikelgröße. Durch die Größenbestimmung der einzelnen Partikel wird eine hoch aufgelöste Partikelgrößenverteilung generiert. Zudem kann die Konzentration der Partikel in der Probe bestimmt werden (Abbildung 2). Aufgrund des niedrigen Brechungsindex von Protein liegt die untere Nachweisgrenze von NTA-Messungen bei einem Durchmesser von ca. 30 nm. Demzufolge sind Protein-Monomereinheiten, die typischerweise im Größenbereich 3 nm–10 nm liegen, mittels NTA nicht messbar. Es können jedoch Aggregate, die aus wenigen Dutzenden von Monomeren bis zu vielen Tausenden von Einheiten bestehen, in ihrer Größe charakterisiert und gezählt werden. Da es zur Bestimmung der Partikelgrößenverteilung i. d. R. nicht erforderlich ist, die Probe zu verdünnen, wird das Aggregationsprofil nicht durch eine Probenbearbeitung verändert.
Im folgenden Beispiel wurde der Durchmesser eines Virus mittels NTA korrekt mit 45 nm gemessen (Abbildung 3a). Infolge einer Agitation derselben Probe durch einfaches, wenige Sekunden andauerndes Schütteln konnte jedoch eine schubspannungsinduzierte Aggregation in der Virenprobe beobachtet werden (Abbildung 3b).
Aus: Moser M., (2008) Emerging analytical techniques to characterize vaccines, Proc. Intl. Conf. Vaccines Europe, Brüssel, Dezember 2008.
In diesem Beispiel wurde eine IgG-Probe mit 1 mg/ml durch Wärmeeinwirkung (50 °C) im Zeitverlauf aggregiert. Dabei nahmen die Licht streuenden Partikel in Anzahl und Intensität zu. Die Beobachtung erfolgte in einem NS500 mit einem 638-nm-Laser. Zu jedem Zeitpunkt wurden NTA- und zusätzliche DLS-Messungen (dynamische Lichtstreuung) durchgeführt. Dabei konnten die Größendaten für die Monomere und Aggregate beobachtet werden (Abbildung 4). Nach einer 20 Minuten andauernden thermisch induzierten Aggregation zeigte der mittels DLS gemessene Monomerpeak einen kugeläquivalenten hydrodynamischen Durchmesser von ca. 10 nm. Mittels NTA wurden Aggregatpartikel ab einer Größe von ca. 30 nm gemessen, mit verzeichneten Peaks bei 50 nm und 85 nm und größten Aggregatdurchmessern von ca. 300 nm. Da sich mittels NTA auch die Partikelkonzentration bestimmen lässt, konnte die Erhöhung der Partikelanzahl im Zeitverlauf der thermischen Aggregation ebenfalls nachverfolgt werden (Abbildung 5). Aus diesen Daten geht hervor, dass in den ersten 30 Minuten nur sehr wenige Aggregate mit einer Größe über 30 nm vorlagen. Zwischen 30 und 100 Minuten blieb die Anzahl der Aggregate mit einer Größe von 30 nm oder darüber stabil, und nach 100 Minuten stieg die Anzahl der Aggregate nahezu exponentiell an. Da zur selben Probe NTA- und DLS-Größendaten sowie NTA-Konzentrationsdaten vorliegen, ermöglicht diese Lösung auf dem komplexen Gebiet der Proteinaggregation äußerst aufschlussreiche Untersuchungen.
Die Herstellungsverfahren für Proteine ermöglichen zunehmend die Erzeugung von höher konzentrierten Produkten mit 150 mg/ml oder darüber. Es wurden BSA-Proben mit 50 mg/ml, 100 mg/ml und 150 mg/ml in die Probenkammer geladen. Mit zunehmender Konzentration nimmt auch die Streuung infolge nicht löslicher Monomere und kleinerer Aggregate zu. Mittels NTA können jedoch dennoch Aggregate ab einem Durchmesser von ca. 40 nm identifiziert und überwacht werden (Abbildung 6).
Mittels NTA wurde der Einfluss der bei der Dreiphasen-Partitionierung verwendeten Ammoniumsulfatanteile auf die Größe und die Größenverteilung von α-Chymotrypsin untersucht (Rather et al., PLoS ONE, 2012. 7(12): e49241. doi:10,1371/journal. pone.00492410).
Torosantucci et al. haben die Auswirkung verschiedener Antioxidantien auf die kupfer-/ascorbinsäureinduzierte Aggregation von Insulin untersucht, indem sie mittels NTA Größenverteilungsprofile generierten und mit dem nicht aggregierten Zustand verglichen (Torosantucci et al., Eur J Pharm Biopharm. 2013 Aug;84(3):464-71. doi: 10,1016/j.ejpb.2013,01.011. Epub 2013 Feb 9.).
Um das Auftreten großer Aggregate zu verhindern, durch die ein Proteintherapeutikum für den Patienten ungeeignet wird, müssen die Wissenschaftler verstehen, in welchem Verarbeitungsschritt (Synthese, Aufreinigung, Verpackung, Transport, Lagerung und Anwendung) die Monomereinheiten des Proteins miteinander zu aggregieren beginnen. Durch Größenverteilungsmessungen mittels NTA und DLS in unterschiedlichen Verarbeitungsschritten können die Wissenschaftler den Schritt identifizieren, in dem die Aggregation einsetzt. Dieser Schritt kann dann überprüft und ggf. modifiziert werden, um die Bildung von Proteinaggregaten zu verhindern oder zu verlangsamen.